Nicht immer hält Spielzeug auch das, was es auf den ersten Blick verspricht. Ich sehe genau hin!

Nicht immer hält Spielzeug auch das, was es auf den ersten Blick verspricht. Ich sehe genau hin!

Donnerstag, 18. Dezember 2014

Dr. Dolittle und seine Tiere neu übersetzt- meine Rezension

Klassiker und Kinder von heute sind so eine Sache. Die alte und ungewohnte Sprache lenkt  viele Kinder schnell vom eigentlichen Inhalt ab und kann als Spaßbremse wirken. Das ist oft schade, denn in vielen Klassikern steckt unheimlich viel zeitloses und schönes drin.

Ich freue mich immer wieder, wenn es von Klassikern gelungene neue Übersetzung gibt, die Kindern schöne Geschichten leicht zugänglich machen. Eines der wirklich gut gelungenen ist die Übersetzung von Gisbert Haefs von dem Klassiker "Doktor Dolittle und seine Tiere", geschrieben von Hugh Lofting. Ich schreibe hier, worum es in "Doktor Dolittle" geht, für alle die ihn entweder selbst nicht kennen oder nach all den Jahren schon wieder vergessen haben. Außerdem verrate ich, warum ich die Übersetzung so gut finde!


Ein kleiner Einblick in Doktor Dolittle:

Dr. med John Dolittle ist ein netter Kerl, ein begnadeter Arzt und total vernarrt in Tiere. Als er aus Mitleid immer mehr kranke und hilfebedürftige Tiere bei sich im Haus aufnimmt, bleiben immer mehr Patienten aus, denn zu so einem abnormen Arzt geht man nicht. Meinen zumindest seine Kunden. 

Erst stört es Dolittle wenig, denn er hat noch Geld auf der hohen Kante. Geld ist ihm sowieso lästig, daher stört es ihn auch nicht, dass er ärmer wird. Aber auch wenn man nicht geldgierig ist, müssen Menschen und Tiere von irgend etwas essbaren leben. Sein letzter Patient ist ein Verkäufer von Katzenfutter, den die Tiere nicht stören. Und der gibt ihm den guten Tipp, doch einfach Tierarzt zu werden, wenn er ohnehin schon so tierlieb ist. Da springt ihm sein Papagei Polynesia zu Hilfe und lehrt Dolittle alle Tiersprachen. Es dauert nicht lange, und er ist der beste Tierarzt weltweit. 

Sein Ruf eilt ihn weit voraus, so dass ihn sogar die Affen aus Afrika in Puddleby zu Hilfe rufen. Er macht sich mit einigen tierischen Freunden auf den Weg, die Affen vor der grassierenden Seuche zu retten. In Afrika angekommen, muss er erst einen afrikanischen König um Erlaubnis fragen, sein Land zu betreten. Aber das Visum bekommt er nicht, denn der König hat extrem schlechte Erfahrungen mit den Weißen gemacht. Der letzte Weiße hat sein Land nach Gold umgegraben und den armen Elefanten die Stoßzähne abgeschnitten und sich dann zum Dank heimlich aus dem Staub gemacht. Klar, dass der König da traumatisiert ist. Und woher soll er wissen, dass Doktor Dolittle ein guter Mensch ist? Er lässt den ungebetenen Einwanderer Dolittle prophylaktisch ins Gefängnis sperren. Nun liegt es an Dolittle und seinen befreundeten Tieren, da irgend wie weg zu kommen und trotzdem zu den Affen zu kommen. Und immer wieder helfen ihm alle Tiere auf alle erdenkliche Art, wenn Dolittle mal wieder in Schwierigkeiten gerät.

Das Buch ist einfach ein unterhaltsamer Klassiker. Die Sprache und der Aufbau sind wunderbar. Und ich habe das als Kind gelesen und mir nichts mehr sehnlicher gewünscht, als auch mit den Tieren sprechen zu können. Es ist ein absolut zeitloses Thema, denn die meisten Kinder stehen Tieren unheimlich nahe. Das Lesen macht einfach Spaß und die Beschreibungen und der Handlungsaufbau sind einfach toll gemacht.

Erschienen ist die Ausgabe 2011 im Cecilie Dressler Verlag unter der ISBN 978-3-7915-3573-9 für 7,50 Euro als Hardcover.

Alarm! Spoiler folgen!

Jetzt folgt wie bei mir immer eine tiefer gehende Analyse zu Übersetzung und Inhalt, wer möchte, kann gerne jetzt schon weiter lesen. Wer sich die Spannung erhalten will, sollte hier wohl abbrechen, erst das Werk lesen und später wieder hierher zurück kommen.

Was ist an der Übersetzung gelungen?

Zum einen ist die Sprache unheimlich frisch. Das gelingt dem Übersetzer Gisbert Haefs sehr gut. Es tauchen kaum Wörter auf, die Kinder nicht mehr kennen, oder die sie nicht erschließen könnten. Also nicht mehr, als in einem Buch, das vor ein paar Jahren geschrieben wurde, obwohl die Geschichte knapp hundert Jahre auf dem Buckel hat. Dabei fallen aber keine Modeworte oder coole Sprachspielereien ins Auge, die nur zur Effekthascherei eingebaut wären oder um den Text auf modern zu bürsten. 

Doktor Dolittle stand lange in der Kritik, ob es möglicherweise doch für heutige Leser zu rassistisch sei. Das hing wohl damit zusammen, dass im Urtext auf Englisch die beiden Könige in Afrika aufgrund ihrer Hautfarbe als "darkies" bezeichnet wurden. Zumindest legt dies Frau Heidenreich in ihrem Nachwort so dar. Aber sind Wörter und Bezeichnungen alleine ein Indiz dafür, wie rassistisch ein Text ist? Ich meine nicht.  Man sollte bei solchen Aussagen immer berücksichtigen, in welcher Zeit ein Werk entstand und was damals normaler Sprachgebrauch ist. Von political correctness war in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts vermutlich noch nicht mal in England die Rede, so dass der Autor eben Kind seiner Zeit ist. Wie hätte er ahnen können, dass Leser nach ihm auf so ein Wort empfindlich reagieren könnten? Haefs übersetzt hier meist mit weiße Männer und schwarze Männer. 

Was kann man an der Übersetzung kritisieren?

Kritisch kann man durchaus sehen, dass zum Beispiel auf Seite 78 der Begriff "Neger" fällt. Auf der Version in Englisch, die in Projekt Gutenberg online zu finden ist, wird an diesen Stellen nicht der Begriff "negroe" gebraucht. Ich weiß aber nicht, ob das an dieser Stelle ohne Erwähnung überarbeitet wurde. Sicher hätte man das auch moderner übersetzen können. Unabhängig davon, wie der Urtext lautete: Was mir hier auf jeden Fall fehlt, wenn man sich schon bewusst für diese Wortwahl entscheidet, dass der Verlag hier eine Fußnote für die Kinder einfügt um den Kindern zu erklären, dass "Neger" kein Wort für den täglichen Gebrauch ist. Ich denke, so viel Erklärung kann und sollte man Kindern schon zumuten. Und da Kinder heute schon meist ab der Grundschule eine erste Fremdsprache lernen, ist den meisten durchaus bewusst, dass Übersetzen nicht einfach so geht. Und längst nicht jedes Kind spricht mit Erwachsenen über so ein Buch. Für die nächst Auflage würde ich mir eine kindgerechte Erklärung wünschen. Das Nachwort von Frau Heidenreich ist zwar für Erwachsene wunderbar, aber für Kinder als Erklärung setzt es zu viel Wissen voraus.

Und wie sehe ich das mit dem Rassismus-Vorwurf?

Kinderbücher, die das Thema Rassismus berühren, sind immer heiße Eisen. Und sie stehen immer in der Gefahr, etwas falsch zu machen, ob bewusst oder unbewusst. Deswegen dieses Thema gegenüber Kindern vollkommen auszusparen ist aber auch nicht der richtige Weg. Wir wohnen eben auf einem Planeten, wo viele unterschiedliche Menschen wohnen. Damit müssen sich auch Kinder früher oder später konstruktiv auseinander setzen. Denn wer nicht lernt, Unterschiede zu erkennen und zu tolerieren, der wird Schwierigkeiten bekommen, friedlich zusammen zu leben.

Schwierig finde ich es bei Kinder- und Jugendbüchern, wenn Rassismus zwar irgendwo eine Rolle spielt, aber nicht direkt zur Sprache kommt. Da kann es passieren, dass Kinder unbewusst Denkmuster übernehmen, die dazu gar nicht gedacht waren, vielleicht nur, weil eine der Figuren ihnen sympathisch schien.

Bei Dr. Dolittle ist das nicht der Fall. Rassismus wird gut durchsichtig gemacht. Der Zusammenhang von Ursachen und Wirkungen von Rassismus und ein kleiner Hinweis auf die Geschichte sind eigentlich gute Ausgangspunkte, um mit Kindern über diesen Problembereich zu sprechen. Dabei sind die Informationen aber so kompakt gehalten, dass es auch jüngere Kinder nicht mit blutigen Fakten überfrachtet. Daher eignet sich Dr. Dolittle durchaus als Einstieg in die Thematik.

Gut ist nämlich, dass die Motive der Handelnden so offen gelegt werden. Der afrikanische König hat Vorurteile, da er schon schlechte Erfahrungen mit hellhäutigen Menschen gemacht hat. Das ist durchaus legitim. Erfahrungen prägen nun mal das Denken bei jedem Menschen. Dass der König wütend wird und die Fassung verliert, als er erkennt, dass er von einem Papagei herein gelegt wurde, ist auch vollkommen nachvollziehbar und würde jedem Machthaber so passieren, wenn er in seiner Autorität untergraben wird.

Und Dolittle tritt auch hier sehr aufgeklärt auf. Als der König Dolittle und seine Tiere auf dem Rückweg nun doch fängt und noch mal ins Gefängnis wirft, da lästert Dolittle nicht mal und beschimpft nicht, er klagt nur, dass es unheimlich lästig sei, dass er zur Strafe nun den Küchenfußboden des Königs schrubben solle, denn er habe doch Pflichten zu Hause. 

Auf Seite 78 spricht Dolittle tatsächlich das Wort Neger aus, als er mit den Tieren über Prinz Bumpo redet. Zugegeben, da bin ich zusammen gezuckt. Ich weiß, man sollte bei Wörtern auch auf die Aussageabsicht achten. Und die Aussage des Werks ist meiner Meinung nach nicht rassistisch. von daher finde ich die Wortwahl nicht so gelungen. Ich würde aber nicht so weit gehen wollen, das Werk deshalb den Kindern vor zu enthalten.

Wenn man weiter liest, was Dolittle über Bumpo als Mensch sagt, dann sieht man volles Verständnis dafür, dass Bumpo sich im wahrsten Sinne des Wortes in seiner Haut nicht wohl fühlt. Gerade weil er Zielscheibe von Rassismus ist und das bewusst mitbekommt. Wenn man das Wort "Neger" aus nachvollziehbaren Gründen meiden möchte, dann kann man es beim Vorlesen auch ganz leicht ersetzen. Lesen die Kinder das Buch selbst, kann man mit ihnen über das Thema auch prima reden und daran eben die Entwicklung von Sprache und den damit verbundenen Gefühlen reden. Ich denke, das sollte man bei dem Buch in jedem Fall tun, und das nicht nur über diesen einen Begriff. Ich jedenfalls finde diese Wortwahl unglücklich.

Wenn der Verlag die kritischen Hinweise schon versäumt, dann sollten unbedingt Eltern oder Lehrkräfte mit den Kindern thematisieren, dass in Puncto Rassismus in der Geschichte so ziemlich alles schon falsch gemacht wurde, was man falsch machen kann. Den geschichtliche Hintergrund sollt man den Kindern da nicht vorenthalten und auch die durchaus berechtigte Kritik an gemachten Fehlern.

Wer hier unsachlich und verletzend wird, das ist das Schwein. Dieses Schwein hat aber innerhalb des Buches sowieso eine unselige Rolle, denn wenn etwas schief geht, ist nicht selten das Schwein darin verwickelt. Es passt insofern gut zu seiner Person als Schwein, dass es sich im negativen Sinn wie ein Schwein benimmt und damit dem Leser klar zeigt, was falsch ist, ohne das direkt falsch zu nennen. Und Dolittle erklärt dem Schwein geduldig, worauf es eigentlich ankommt, nämlich auf den Charakter eines Menschen, hier auf Seite 82 "Herz" genannt. Dolittle betont, dass es beim Menschen auf sein Handeln ankommt, nicht aufs Aussehen. 

Dieser Standpunkt Dolittles, dass es beim Menschen alleine auf seine Taten ankommt, der zieht sich durch das ganze Buch. Auch als die Seeräuber sie erst angreifen und dann noch versuchen sein Schiff auszurauben gibt er ihnen eine zweite Chance zur Bewährung. Er verurteilt nicht alleine deswegen, was sie sind, sondern gibt ihnen die Chance, das Gute in sich zu entwickeln. Er wirkt meiner Meinung nach nicht wie einer, der Andere aufgrund Äußerlichkeiten voreilig in eine Schublade steckt und verurteilt. Ähnlich sieht das auch Frau Heidenreich in ihrem Nachwort. Und ich freue mich, dass ich mit der Meinung nicht alleine stehe, dass man Kindern hier die Möglichkeit, das eigene Denken zu entwickeln nicht vorenthalten sollte.

Die Illustrationen:

Schön ist, dass das Buch mit den Originalbildern illustriert ist, die der Autor seinerzeit selbst hergestellt hat. Es ist ein seltener Glücksfall, wenn Autoren so vielseitig begabt sind, dass ihre Bilder und ihr Text beide professionell wirken. Das ist hier der Fall.

Allerdings muss man sagen, dass man den Bildern eben auch anmerkt, dass sie aus einer anderen Zeit stammen. Und die Bilder sind eben durchaus nicht ganz ohne. Bilder transportieren Botschaften. Und die Bilder des Autors sind durchaus Karrikaturen, die dem Text dadurch auch Würze verleihen. Nur gerät man eben mit einer Karrikatur schnell auch in einen Bereich, wo möglicherweise Gefühle verletzt werden können oder Klischees transportiert werden können. Besonders kann man über die vier Bildchen diskutieren, in denen das Königspaar und der Prinz dargestellt sind. Denn die Figuren sind da schon sehr überspitzt gezeichnet. Wenn es sich hier um zeitgenössische Illustrationen handeln würde, wäre das ganz klar geschmacklos.

Fazit:

Ich empfehle das Buch, nicht nur, weil es einfach ein Klassiker der Weltliteratur ist. Auch deshalb, weil man Kinder nicht unterschätzen sollte. Mit diesem Buch können sie unheimlich viel lernen. Man kann wunderbar mit den Kindern diskutieren und zum kritischen Denken anregen, was Rassismus und menschliches Verhalten angeht. Es ist für mich keine Frage, ob Kinder das Buch lesen sollten. Sondern eine Frage wie. Wenn das Kind nicht eine ungewöhnliche Leseratte ist und ohnehin schon selbstständig alles analysiert, dann sollte man die Gelegenheit nicht verpassen, mit seinen Kindern die Räume zu betreten, zu denen das Buch die Türen öffnet und die Chance nutzen, sie in ein Leben als kritisch denkende, tolerante und weltoffene Bürger zu begleiten. 








Keine Kommentare :

Kommentar veröffentlichen

Hallo und danke für den Kommentar! Da ich diesen Blog nur nebenbei betreibe, kann es eine Weile dauern, bis ich den Kommentar gegengelesen habe und er hier erscheint. Ich bitte daher um etwas Geduld.

Wer Fragen an mich hat, kann mich gerne über das Kontaktformular anschreiben.

Grüße, Cecilia